Das Tassimo-Geheimnis

Das Tassimo-Geheimnis

Einleitung

Ich habe seit ca. 10 Jahren eine Tassimo-Kapsel-Kaffeemaschine der Firma Bosch. Ich bin ganz zufrieden damit und benutze sie praktisch täglich. Aber ich habe mich fast die ganze Zeit trotzdem geärgert:

  1. über die große Menge Plastikmüll, die mit den Kapseln unweigerlich anfällt,
  2. dass die Kapseln, besonders in letzter Zeit, sehr teuer sind und
  3. keine Kapseln mit schwarzem Tee mehr erhältlich sind.

Im Internethandel sind seit geraumer Zeit wiederverwendbare Kapseln erhältlich, mit denen man Plastikmüll vermeiden kann und deren Preis im Vergleich zu den Tassimo-Kapseln und den aktuellen Kaffeepreisen sehr attraktiv ist.

Allerdings ist mit diesen Kapseln fast keine Anpassung der Zubereitungsbedingungen mehr möglich, es sind lediglich Kapseln für unterschiedliche Getränkemengen, z.B. 60 ml, 160 ml, 180 ml, 220 ml usw. erhältlich. Der Vorteil der unterschiedlichen Zubereitung hinsichtlich der Brühdauer, Temperatur und Geschwindigkeit des durch die Kapsel fließenden Wassers ist mit den wiederverwendbaren Kapseln nicht nutzbar.

Die Steuerung der Zubereitung erfolgt mit den auf die Kapseln aufgedruckten Strichcodes. Das „Tassimo-Geheimnis“ liegt also in dem Strichcode verborgen.

Im Internet sind einige Versuche beschrieben, diesen Strichcode zu entschlüsseln. Bisher ist jedoch keine Lösung bekannt. Und erschwerend kommt hinzu, dass sich bei den aktuell verkauften Tassimo-Kapselmaschinen der Hersteller, und damit verbunden, der Code und seine Interpretation gegenüber den Bosch-Maschinen geändert haben.

Der Code für die „neueren“ Maschinen befindet sich zwischen dem zentralen Loch für den Abfluss und der Lasche für die Handhabung. Der Code für die „alten“ Boschmaschinen ist rechtwinklig dazu parallel zur Lochreihe aufgedruckt.

(Bild 1: Wiederverwendbare Kapsel)

Die gute Nachricht ist, dass es nicht erforderlich ist, den Code zu entschlüsseln, wenn man lediglich eine bekannte Zubereitungsart mit den wiederverwendbaren Kapseln kopieren möchte.

Die schlechte Nachricht ist, dass man mindestens eine Kapsel mit der gewünschten Zubereitungsart als Kopiervorlage braucht. Kapseln mit Schwarzem Tee sind aber schon seit längerem nicht mehr im Handel. Jedoch auch hierfür gibt es eine Lösung.

Ich beschreibe im Folgenden meine Lösung für die „alte“ Bosch-Maschine.

Die Kopie

Technische Lösungen sind auch bereits im Internet mehrfach beschrieben und leicht umsetzbar:

Man übertrage die Kontur der Kapsel auf eine nicht zu dünne Plastikfolie, z.B. den Deckel einer Lätta-Plastikdose, schneide an den entsprechenden Stellen Löcher für den Zu- und Abfluss in die Folie und klebe eine Kopie des Codes der Tassimo-Kapsel mit der gewünschten Zubereitungsart an die entsprechende Stelle. Am einfachsten ist es, dafür den Code aus der Folie einer vorhandenen Kapsel auszuschneiden.

Diese Folie lege man dann unter die wiederverwendbare Kapsel in die Maschine, und voilà, die Maschine liest den kopierten Code und bereitet den in der Kapsel befindlichen Kaffee oder Tee wie gewünscht zu.

(Bild 2: Codemaske für Darjeeling & Earl Grey Tee“)

Der gedruckte Code

Was aber tun, wenn keine Originalkapsel zur Verfügung steht? Auch hier helfen das Internet und ein wenig „Do it yourself“.

Der Strichcode der Bosch-Maschinen folgt dem sogenannten „2/5 Interleaved“-Code (ITF-Code) und ist in der Norm ISO/IEC 16390 spezifiziert. Man kann ihn relativ leicht mit den eigenen Augen „lesen“ und in eine Dezimalzahl umwandeln. Das haben bereits einige an den Codes interessierte Tassimo-Benutzer gemacht und in Internetforen oder auf eigenen Websites veröffentlicht, so dass für viele Tassimokapseln diese „übersetzten“ Codes bekannt und verfügbar sind.

Genauso lassen sich diese als Dezimalzahlen verfügbare Codes wieder in den Strichcode zurückverwandeln und können auch in der gewünschten Größe ausgedruckt und für den oben beschriebenen Zweck verwendet werden. Die genaue Vorgehensweise werde ich im Folgenden beschreiben.

Do-IT-Yourself-Codes

Lesen des ITF-Codes

Der ITF-Strichcode besteht aus sich abwechselnden schwarzen und weißen Streifen mit zwei verschiedenen Stärken. Dabei ist mit jeweils 5 aufeinanderfolgenden Streifen einer „Farbe“ eine Dezimalziffer verschlüsselt, wobei zu jeder 5-er-Gruppe immer 3 schmale und 2 breite oder 2 schmale und 3 breite Streifen gehören. Die endgültige Dezimalzahl ergibt sich aus den abwechselnden „schwarzen“ und „weißen“ 5-er-Gruppen. Die letzte Ziffer des Codes ist eine Prüfziffer. Sie wird in der Darstellung der Codezahl mit einem Bindestrich als letzte Ziffer angegeben. Zu Beginn des Strichcodes stehen als Start-Markierung jeweils zwei schmale schwarze und weiße Streifen, die nicht zur Codierung gehören und am Ende des Strichcodes sind ein breiter schwarzer Streifen, ein schmaler weißer Streifen und ein schmaler schwarzer Streifen, die als Ende-Markierung ebenfalls nicht zum Strichcode gehören, siehe Bild 1.

Aus dem Bild 1 der wiederverwendbaren Kapsel für 160 ml kann man folgende Strichfolgen ablesen, wobei ich mit „0“ einen schmalen Strich ind mit „1“ einen breiten Strich bezeichne.

Schwarz: 00|01001|00011|10001|10
Weiß: 00|01010|01100|10100|0

Für die Umwandlung der Strichfolge in Dezimalzahlen ist nun noch die Codetabelle erforderlich:

0|00110
1|10001
2|01001
3|11000
4|00101
5|10100
6|01100
7|00011
8|10010
9|01010.

Damit ergibt sich die Ziffernfolge:

29761-5

Diese Ziffernfolge gehört zur Kapsel: Jacobs Caffé Crema XL.

Zum Vergleich hier noch ein Bild dieser Kapsel:

(Bild 3: Jacobs Caffé Crema XL)

Die Prüfziffer dient der Kontrolle und ergibt sich wie folgt:

Zunächst werden, mit der letzten Ziffer beginnend, abwechselnd die Ziffern mit 3 und 1 multipliziert und die Summe gebildet. Also im obigen Beispiel:

S = 1 x 3 + 6 x 1 + 7 x 3 + 9 x 1 + 2 x 3 = 45

Nun wird die Differenz zur nächstgrößeren Zehnerzahl, hier also 50, gebildet und diese Differenz ist die Prüfzahl. In diesem Fall also 5.

Tabelle bekannter Tassimo-Codes

Im folgenden liste ich mir bekannte Tassimo-Codes auf, die ich entweder von meinen gekauften Tassimo-Kapseln abgelesen oder im Internet gefunden habe.

KapselCodeMenge [ml]
----
Costa Espresso for Capp. u. Latte02209-5-
TWINING's English Breakfast03287-2-
TWINING's Earl Grey03351-0200
TWINING's Darjeeling03351-0
TWINING's Waldfruchttee03354-1
TWINING's Green Tea & Mint03350-3220
Suchard Hot Chocolate04785-2195
Jacobs Espresso06178-060
Jacobs Espresso for Latte Macch.06178-0
CARTE NOIRE for Espresso Intense06178-0
Milch for Cadbury06182-7
Milch for Milka, Marabou & Freia06182-7
Milch for Costa Capuccino06182-7
Milch for CARTE NOIRE Cappu.06409-5
Milka06665-5
OREO06665-5
Cadbury hot Chocolate06665-5
Service Disk07879-5
Jacobs Caffe Crema XL29761-5215
CARTE NOIRE Petit Dejeuner29761-5215
Costa Americano29761-5220
Kenco Medium Roast29761-5195
CARTE NOIRE Lungo Intenso30195-4120
Jacobs Kroenung Verwoehnkanne34419-7350
Tea Bar Peach Iced Tea34913-0325
Milch for OREO36881-6
Second Cup Espresso Forte59459-265
Gevalia Kaffe Espresso59491-2
Starbucks Espresso Roast59683-1
Cappucino Primo Milk Creamer63415-1
Milch for Cappucino63479-3215
Milch for Latte (Pulver)63607-0250
Milch for Latte Macch.63735-0
Milch for Costa Caramel Latte63735-0
Cavalia Kaffe Signature Blend64226-3
Maxwell House Morning64803-5354
Gevalia Kaffe Caramel Espresso67427-060
Milch for Chai Latte67447-8
Second Cup Cohocolate Syrup67645-8195
Corner Coffee Pepp Choc. Syrup67645-8
Gevalia Dark Breakfast Blend67945-8
Gevalia Dark Italien Roast67953-4
Second Cup Paradiso67953-4
Nabob Breakfast Du Martin68305-4354
Tazo Awake Black Tea69955-6
TWINING's Chai Latte71587-5
ICE DISC Tea71651-2
ICE DISC Espresso06146-9
ICE DISC Cappucino06146-9
ICE DISC Chocolate06146-9
Petit Dej. Morning Cafe29762-5215

Diese Tabelle zeigt, dass eine ganze Reihe von Tassimo-Kapseln jeweils dieselbe Kodierung aufweisen und deren Inhalte somit gleichartig zubereitet werden.

Drucken der Tassimo-Codes

Wenn keine Code-Vorlage aus einer vorhandenen Tassimo-Kapsel benutzt werden kann, kann aus der obigen Tabelle die Dezimalzahl für die Code-Vorlage entnommen werden. Es bleibt dann nur, aus dieser den Strichcode zu rekonstruieren, in der richtigen Größe auszudrucken und auf der oben beschriebene Plastikscheibe aufzubringen.

Ich habe mir dazu ein kleines PYTHON-Skript geschrieben, das die Rekonstruktion des Strichcodes vornimmt und 6 x 6 Codeabschnitte in einem jpeg-Bild der Größe 7 cm x 9 cm ablegt. Dieses kann dann am Kopierstand eines Discounters oder bei einem Fotografen auf einem Fotodrucker auf widerstandsfähiges Fotopapier der Größe 7 cm x 9 cm ausgedruckt werden. Man hat dann 36 Strichcode-Abbildungen zum Ausschneiden und Auswechseln zur Verfügung. Ein üblicher Tintenstrahldrucker ist dazu nicht geeignet, das Druckbild ist nicht scharf genug und normales Papier der Feuchtigkeit in der Tassimomaschine nicht gewachsen.

Das PYTHON-Skript stelle ich hier zum Download zur Verfügung.

Am Altmarkt in Plauen

Am Altmarkt in Plauen befindet sich am Alten Rathaus ein sehr schön restauriertes Uhrenensemble. Es besteht aus einer mechanischen Uhr und einer Sonnenuhr. Das folgende Foto entstand bei einem Spaziergang am 20.03.2022.

Die mechanische Renaissanceuhr und die Turmuhr am neuen Rathaus zeigen beide die Mitteleuropäische Zeit 13:45 Uhr an, die Sonnenuhr hingegen zeigt auf 13:26 Uhr.

Außerdem ist auf dem Schatten werfenden Polstab der Sonnenuhr eine kugelförmige Verdickung angebracht, deren elliptischer Schatten genau auf eine gerade verlaufende Linie des Zifferblattes der Sonnenuhr fällt. Diese Linie ist mit den Symbolen der Tierkreiszeichen Widder (links) und Waage (rechts) gekennzeichnet. Oberhalb dieser geraden Linie befindet sich eine gebogene Linie, die mit dem Symbol des Tierkreiszeichens Steinbock gekennzeichnet ist und unterhalb der geraden Linie ist eine weitere gebogene Linie gezeichnet, die mit dem Symbol des Tierkreiszeichens Krebs versehen ist. Am 21.3. ist Frühlingsanfang, d.h. die Sonne tritt in das Tierkreiszeichen Widder ein, und genau dies zeigt die Lage des Schattens der kleinen Kugel am Polstab an. Der Schatten dieser Kugel wird jeweils am Frühlingsanfang im Laufe des Tages genau der geraden Linie auf der Sonnenuhr folgen. Dasselbe wird er, sofern die Sonne scheint, auch am Herbstanfang tun, wenn die Sonne wieder den gleichen Tagbogen am Himmel beschreibt und Tag und Nacht gleich lang sind. Am Winteranfang steht die Sonne am niedrigsten am Himmel und hat den Wendekreis des Steinbocks (Wintersonnenwende) erreicht. Somit wird der Schatten der Kugel am Polstab der oberen gebogenen Linie folgen, und dementsprechend wird er am Sommeranfang der unteren Linie, dem Wendekreis des Krebses (Sommersonnenwende) folgen, wenn die Sonne im Jahreslauf am höchsten steht.

Soweit scheint alles korrekt zu sein. Aber was ist mit der Uhrzeit? Geht die Sonnenuhr falsch, weil man es im Jahr 1784 mit der Zeit noch nicht so genau nahm? Nein, natürlich nicht.

Die Sonnenuhr zeigt nicht unsere mitteleuropäische Zeit (MEZ), sondern die wahre Sonnenzeit genau auf dem Altmarkt in Plauen an. Das heißt, die Sonnenuhr zeigt immer 12 Uhr Mittags an, wenn die Sonne hier an diesem Ort genau im Süden, d.h. (fast) am höchsten steht, und teilt jeden Tag in 24 untereinander gleiche Stunden ein. Sie zeigt die sogenannte Wahre Ortszeit (WOZ) oder auch Wahre Sonnenzeit an.

Mit dem Aufkommen mechanischer Uhren, deren Zeiger sich mit konstanter Geschwindigkeit über das Zifferblatt bewegen, machte es sich dann „störend“ bemerkbar, dass die Sonne sich nicht mit gleichmäßiger Geschwindigkeit über den Himmel bewegt. Ursachen dafür sind die Neigung der Erdachse und die sich periodisch ändernde Umlaufgeschwindigkeit der Erde um die Sonne. Diese mechanischen Uhren zeigen die mittlere Ortszeit „MOZ“ oder auch Mittlere Sonnenzeit an.

In seinem Buch: „Die Sonnenuhr und ihre Theorie“ schreibt Jörg Meyer zur Einführung der mittleren Sonnenzeit: „Die Einführung der mittleren Sonnenzeit ging langsam, aber glatt vonstatten. Der Eingriff war nur gering. Doch fehlten auch hier nicht anfängliche Einwendungen, wie sie jede Neuerung hervorruft. Vom Januar 1780 an zeigten die Uhren in Genf mittlere Zeit; es folgten London 1792, Berlin 1810, Paris 1816 und Zürich 1832. Am Ende des 19. Jahrhunderts war die mittlere Ortszeit im allgemeinen Gebrauch. Im Amts-und Intelligenzblatt des Königlich Bayerischen Rhein-Kreises vom 4. März 1837 erläßt die bayerische Regierung die Anweisung:

  1. Zu sorgen, daß die Regulierung der öffentlichen Uhren in allen Städten und größeren Gemeinden nach der mittleren Zeit statt finde, und daß die an den Gemeinde-und Stiftungsgebäuden befindlichen etwa schadhaften Sonnen-Uhren hergestellt werden, um hienach von Zeit zu Zeit mit Hülfe der Tabelle die Räder-Uhren richten zu können.
  2. Die anderen Gemeinden, in welchen keine Sonnenuhren bestehen, und wo die Kenntnisse der Individuen, denen die Besorgung der öffentlichen Uhren obliegt, nicht hinreichen, den Sonnen-Mittag durch die Herstellung einer Mittagslinie zu bestimmen, an besonders zu bezeichnende benachbarte größere Gemeinden zu weisen, mit deren Uhren sie die ihrigen in Übereinstimmung zu halten haben.
  3. Den Beginn dieser Maßregeln auf den 15. April d. J. als auf den Tag festzusetzen, an welchem die Sonnenzeiten mit jenen der mittleren Zeit zusammentreffen.

Es folgt eine Instruction, in der die königliche Anweisung auf sehr verständliche Weise begründet wird (So etwas sollte man vielleicht heute auf ministerielle Erlasse übertragen, aber das Zeitalter der Aufklärung ist wohl vorüber!) sowie eine Tabelle zur Regulierung der Uhren nach mittlerer Zeit: Wenn die Sonne bei dem Bogen, welchen sie täglich am Himmel beschreibt, nahezu den höchsten Punkt über dem Horizont erreicht hat, und für uns genau im Süden steht, so nennt man diesen Augenblick Mittag, und zwar den wahren Mittag. Bis sie Tags darauf wieder in dieselbe Lage kömmt, verstreicht ein wahrer Sonnentag, und man teilt diesen bekanntlich in 24 Stunden, jede Stunde in 60 Minuten, usf. Dieses Zeitmaß nennt man die wahre Sonnenzeit. Nun aber dauert es nicht in allen Jahreszeiten gleich lang von einem wahren Mittag bis zum nächst darauf folgenden; daher die wahren Zeitstunden, nach gleichförmiger Zeit gemessen, bald länger bald kürzer sind. Unsere Räder-Uhren, welche allgemein zum Zeitmaß dienen, gehen, wenn sie gut gebaut sind, Jahr aus Jahr ein gleichmäßig fort, so daß jede Stunde, die sie zeigen, gleich lange dauert, und man ist nicht im Stande, eine Uhr zu machen, welche genau nach der oben bezeichneten wahren Sonnenzeit geht, daher denn beständig an allen Uhren gerichtet werden muß, um sie während einiger Zeit nahezu übereinstimmend mit der wahren Sonnenzeit gehen zu machen. Um diesen Übelstande abzuhelfen, hat man eine gleichförmige Zeit angenommen, die, mit dem Jahre nach gleicher Sonnenzeit gerechnet, gleich viele Tage, Stunden, Minuten usw. hat, wo aber jeder Tag, jede Stunde, jede Minute usw. gleich lange dauert. Diese Zeit nennt man die mittlere Sonnenzeit. Weil aber die wahren Tage, wie oben gesagt wurde, bald länger bald kürzer sind als die mittleren oder gleich langen Tage, so folgt daraus, daß die Räderuhren nicht zu allen Zeiten des Jahres übereinstimmend mit den Sonnen-Uhren gehen, die die wahre Zeit zeigen. Die Unterschiede werden aber nie größer, als circa eine Viertelstunde, um was die Sonnen-Uhren gegen Räder-Uhren zweimal im Jahre vor, und zweimal im Jahre nach gehen. In allen größeren Städten und Dörfern muß es demnach bis ins 19. Jahrhundert hinein Sonnenuhren gegeben haben. Wie sonst hätte man die Räderuhren stellen können? Abgesehen von den Universitätsstädten, in denen sicher die Astronomen die Zeit verwalteten.“

Der Unterschied zwischen wahrer und mittlerer Ortszeit wird Zeitgleichung genannt und kann bis zu 15 Minuten betragen. Das folgende Bild zeigt anstelle der oben erwähnten Tabelle die Zeitgleichung im Verlauf des Jahres 2022, beginnend am 1.01.2022.

Am 20.03.2022 betrug die Zeitgleichung ca. -7,5 Minuten.

Spätestens mit dem Aufkommen der Eisenbahn und der Notwendigkeit, Fahrpläne für weite Strecken zu erstellen, erwies es sich als unbequem, wenn an jedem Haltepunkt eine andere Uhrzeit galt, denn die Uhren zeigten die mittlere Ortszeit (mittlere Sonnenzeit an dem betreffenden Ort) an.

„In Zweibrücken, und so wird es auch in anderen Städten gewesen sein, versetzten die Eisenbahnuhren den Sonnenuhren den endgültigen Todesstoß. In einem Ratsprotokoll der Stadt Zweibrücken vom 10.8.1858 heißt es: Dem Uhrenrichter Bietz wird aufgegeben, die Kirchenuhren stets nach der Bahnuhr zu richten. Die Kirchenuhren dürfen gegenüber der Bahnuhr höchstens 4 Minuten vorgehen.“(Die Sonnenuhr und ihre Theorie von Jörg Meyer)

Daher wurden eine „Zentraluhr“ ausgewählt und Zeitzonen definiert, in denen alle mechanischen Uhren auf dieselbe Zeit, d.h. denselben Zeitunterschied zur Zentraluhr gestellt wurden. Als Zentraluhr bzw. Zentrale Zeitmessstelle wurde die Königliche Sternwarte in Greenwich bei London gewählt und deren mittlere Ortszeit (Greenwich Mean Time, GMT) als Zeitnormal definiert.

Die für den Altmarkt von Plauen dann geltende Mitteleuropäische Zeit (MEZ) ist GMT plus 1 Stunde, bzw. im Sommer GMT plus 2 Stunden, die mitteleuropäische Sommerzeit (MESZ).

Innerhalb einer Stunde dreht sich die Erde um 360°/24 = 15°. Der Altmarkt von Plauen liegt 12,14° östlicher als die „Zentraluhr“ in Greenwich, also ist die MOZ = GMT + 48,6 Minuten = MEZ – 11,4 Minuten, d.h. die mittlere Ortszeit ist 11,4 Minuten früher als die von der mechanischen Rathausuhr angezeigte mitteleuropäische Zeit MEZ.

Gemeinsam mit der Zeitgleichung ergibt sich für den 20.03.2022 am Altmarkt in Plauen ein Zeitunterschied zwischen der Sonnenuhr und der Anzeige der mechanischen Uhr von ca.-11,4 Minuten -7,5 Minuten = -18,9 Minuten. Um diese Zeitdifferenz unterscheiden sich auch die Anzeigen der beiden Uhren auf dem obigen Foto. Also alles korrekt. Die Sonnenuhr zeigt die „richtige“ Wahre Ortszeit an.

Mecklenburger Kapellenweg

Am Sonnabend auf dem Weg von Berlin nach Schwinkendorf hatten wir noch etwas Zeit, um abseits des kürzesten Wegs ein wenig „Sightseeing“ zu machen. Dabei sind wir u.a. auf den Mecklenburger Kapellenweg gestoßen. Er verbindet als Pilgerweg besondere Orte, an denen sich in früherer Zeit kleine Kapellen oder Kirchen befunden haben.

Bis auf die Dorfkirche in Gessin befinden sich die Kirchenruine des untergegangen Dorfes Domherrenhagen und die anderen sechs neu geschaffenen Andachtsplätze des Pilgerwegs in Hinrichshagen, Moltzow, Sagel, Lupendorf, Tressow und Langwitz unter freiem Himmel. In jeder der neuen Kapellen steht eine helle Granitbank, auf der zwei Personen nebeneinander sitzen können. Im Innenraum haben maximal 12 Leute Platz. Sie sind dann von ca. 80 cm hohen Feldsteinmauern umgeben, die auch als weitere Sitzgelegenheiten genutzt werden können. Zentrum der Kapellenplätze sind 2,20 m hohe Holzkreuze auf Granitsockeln. An den Holzkreuzen sind ovale Bronzeplatten angebracht, die von der Gessiner Künstlerin Kathrin Wetzel geschaffen wurden. Die Reliefs auf diesen Platten stellen jeweils eine Frau als Seelenfigur des Andachtplatzes, einen Bibelspruch und eine dazugehörige Frage dar.

Wir kamen gerade rechtzeitig, um die letzten Erläuterungen des Initiators dieses Projekts, Pfarrer i.R. Hübener, in der Tressower Kapelle mitzuhören. Offensichtlich machte Herr Hübener gerade eine Führung für interessierte Touristen.

Die Abbildungen zeigt die Kapelle in der Nähe von Langwitz mit der Schwinkendorfer Kirche im Hintergrund und die dazugehörige Bronzeplatte.